Imageproblem im Sportwunderland Spanien Viel ist bisher beim Prozess gegen den vermeintlichen Dopingarzt Eufemanio Fuentes nicht herausgekommen. Dabei würde sich Spanien gerne als Anti-Doping-Land verkaufen.
Eigentlich könnte doch alles so schön sein. Spanien, dieses Sportwunderland, möchte die Olympischen Spiele 2020. Mitte März war das Internationale Olympische Komitee (IOC) da, um die vorgesehenen Sportstätten zu besichtigen. Die IOC-Gesandten schauten sich das Bernabeu-Stadion von Real Madrid an und die Stierkampfarena der Stadt. Dort soll 2020 Basketball gespielt werden. Überdacht. Das IOC war zufrieden, Spanien auch. Wenn da nicht diese eine Frage wäre, die schon bei der letzten Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2016 Madrid die Chancen verhagelt hat: Wie ernst nimmt es Spanien mit dem Anti-Doping-Kampf?
Nicht nachgefragt
Der Prozess gegen den vermeintlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes spielt dabei eine große Rolle. Das Urteil wird erst in ein paar Wochen bekannt gegeben werden. Aber schon jetzt – mit Abschluss der Beweisaufnahme – steht fest: Fuentes hat auch Nicht-Radsportler betreut, wie er im Prozess offen zugab. Er habe “einen Radfahrer von einem Radsportteam, einen Fußballer einer Fußballmannschaft, einen Tennisspieler, einen Boxer, einen Leichtathleten” als Kunden gehabt, sagte Fuentes, ohne eine Miene zu verziehen. Nur leider hatten weder die Staatsanwältin noch die Richterin gesteigertes Interesse zu erfahren, wen er wie genau betreut hatte. Auch weil Fuentes wegen einer – so wörtlich – “Gefährdung der öffentlichen Gesundheit” und nicht wegen Dopings angeklagt ist.
Auch die WADA will mehr wissen
Trotzdem hätte man nachfragen können, sagt Ignacio Arroyo. Der Anwalt vertritt das Nationale Olympischen Komitees Italiens (CONI), das als Nebenkläger im Prozess auftritt. Die italienischen Dopingjäger wollen erreichen, dass die Identität aller Fuentes-Kunden offengelegt wird, möglicherweise auch die Namen italienischer Sportler. Arroyo war bisher im Prozess der eifrigste Kritiker und Nachfrager. Ziemlich schade und enttäuschend sei es gewesen, “dass die Richterin nicht nachgefragt hat. Ich denke, sie hätte sich für die ‘wirkliche Wahrheit’ interessieren sollen – nämlich welche Kunden Fuentes hatte”, sagt Arroyo. Das ist eine Frage, die sich verwundert auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) stellt. Ihr Generaldirektor David Howman sagt, der WADA sei 2006 klar gesagt worden, welche Sportarten in den Fuentes-Fall involviert seien, nämlich “Boxen, Leichtathletik, Tennis, Fußball und Radsport. Das wurde uns von den spanischen Behörden gesagt. Bisher wurde nur über den Radsport gesprochen, aber das ist falsch.”
Gesetz ohne viele Neuerungen
Spanien hat also weiterhin ein Imageproblem. Dagegen soll nun ein neues Anti-Doping-Gesetz helfen, das im Sommer vom Parlament verabschiedet werden soll. Nur, was ist es wert? Bei der spanischen Generalstaatsanwaltschaft ist Gonzalo Camarero zuständig für das neue Gesetz. Extrem kompliziert ist es. Viel soll es bewirken, jedoch räumt selbst Camarero ein, dass es “grundsätzlich im neuen Gesetz keine großen Veränderungen zum alten” gebe. “Man versucht lediglich, die spanische Gesetzgebung dem Welt-Anti-Doping-Code anzupassen. Natürlich kann dabei auch das enorme Interesse eine Rolle spielen, Olympische Spiele nach Spanien zu holen.”
Keine strafrechtliche Verfolgung der Dopingsünder
Das Gesetz sehe mehr Kompetenzen für die Nationale Anti-Doping-Agentur vor, sagt Camarero, Geldstrafen für Dopingsünder, höhere Sanktionen bei wiederholten Dopingvergehen. Nur der dopende Sportler selbst kann weiterhin nicht strafrechtlich verfolgt werden. Obwohl das viele im Anti-Doping-Kampf in Spanien fordern. So sagt CONI-Anwalt Ignacio Arroyo, Spanien könne durchaus mehr tun: “Jeder Richter in Spanien kann Vorschläge für Gesetzesverbesserungen machen. Der Fuentes-Prozess ist deshalb eine große Chance, das neue Gesetz noch zu verbessern und wie in Frankreich und Italien auch Sportler strafrechtlich zu verfolgen.” Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die Richterin diese Anregung aufgreift.
Anti-Doping-Chefin gibt sich entschlossen
Spanien wird als Sportwunderland gefeiert: Fußball-Welt- und Europameister, die erfolgreichen Renommierclubs FC Barcelona und Real Madrid, Handball-Weltmeister, Basketball-Europameister, Tennis-Ass Rafael Nadal, Formel-1-Star Fernando Alonso … Spanien gilt aber auch als Land des Dopings. An die 60 Dopingrazzien gab es in den vergangenen Jahren. Spaniens Image hängt deshalb auch von der Chefin der spanischen Anti-Doping-Agentur ab. Ana Munoz ist bisher hochgeachtet, und sie wird deutlich: “Am Tag, an dem der Fuentes-Prozess endet, werde ich als Chefin der spanischen Anti-Doping-Agentur die Richterin auffordern, mir alle Dokumente, Beweise und die Blutbeutel zu übergeben. Und dann werden wir nicht aufhören, alles zu unternehmen, um die Doper zu bestrafen.” Das würde am Ende wahrscheinlich nicht nur Spaniens Image, sondern vielleicht auch der Bewerbung Madrids um die Olympischen Spiele 2020 helfen. Bis es soweit ist, bleibt das Imageproblem im Wunderland.